Aldo Cardoso, Cochabamba, 2000 |
Wir sind wie das Wasser. Ein einziger Tropfen wird übersehen. Er gleitet über das Moos. Er fällt auf den Boden und verschwindet bis ins Erdinnere.
So sind wir. Wir umgehen die Schatten. Wir rutschen durch die Felsspalten. Unsere Wege vereinigen sich. Wir durchqueren die Grotten. Wir treffen uns in Massen in den Gewölben der tiefen Höhlen.
So sind wir. Wir schreiten zusammen in einem einzigen Körper fort. Mächtig und veränderlich erscheinen wir plötzlich im Licht brausend in den Strömen und kein Fels kann sich unserer Kraft wiedersetzen.
Und trotzdem lebt durch unser Vorbeigehen das Grüne auf den Wiesen wieder auf und damit sprießt eine Vielzahl von Blumen, die Bäume der Wälder werden mit neuen, weichen Blättern bedeckt und in den Gärten schimmern die Knospen von den kommenden süßen und saftigen Früchten.
So sind wir. Ein einziger Mensch wird übersehen. Die Herren ignorieren ihn. Sie unterschätzen seine Kraft. Und das Leben des Einzelgängers geht in ängstlicher Stille vorbei. Aber wenn es die Menschenmenge ist, die zusammen fortschreitet, dann sind die Herren diejenigen, die sich fürchten, weil sie sich schwach und ängstlich fühlen.
So sind wir. Wenn sich unsere Wege vereinigen, sind wir die Menschenmenge, die sie verängstigt. Deshalb möchten sie uns für ihre Zwecke unterdrücken, trennen, in die Irre leiten und isolieren. Sie möchten zu ihren Gunsten, dass wir wie das Stauwasser verharren, in einer Welt, die faul und krank geworden ist. Aber dann erscheinen wir immer wieder plötzlich brausend im Licht, mit einer überwältigenden Kraft, der sie ohnmächtig gegenüber sind, und ihre Mauern stürzen ein und ihre ganze Welt der Unterdrückung wird bis auf die Grundmauern zerstört.
Dennoch, wenn die Tage der Cholera und der Verwüstung zurückbleiben und wir frei dahingleiten, bringen wir auch die Schönheit des Frühlings in alle Ecken der Erde.
So sind wir. Wie das Wasser. Bescheiden und unbesiegbar. Geradezu mächtig.
(Text integriert in der Ausstellung Los guerreros del agua von Aldo Cardoso, präsentiert im Kontext der Ausstellung Aigua, una mostra fotogràfica, Amics de les Arts i Joventuts Musicals, Terrassa, 2011. Übersetzt ins Deutsche von Matthias Meier und Marta Vives.)
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